Wer folgt auf Macron?
Ausblick auf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2027
Rémi Jégu, Mitglied unseres Erste Lesung Teams bis Juli 2023, zu den anstehenden Präsidentschaftswahlen 2027 in Frankreich.
Nach dem Tod des 17-jährigen Nahel in dem Pariser Vorort Nanterre erlebte Frankreich die schwersten Unruhen seit 2005. Diese neue innenpolitische Krise, welche nur mit dem Einsatz von mehr als 45.000 Polizistinnen und Polizisten entspannt werden konnte, verändert die Dynamik der französischen Politik. Themen wie Migration, Integration und Sicherheit wurden aufgewertet und setzten die Risse in der französischen Gesellschaft unter Spannung, während ein politischer Rechtsruck zu beobachten ist.
Drei politische Lager
Seit dem zweiten Wahlsieg Emmanuel Macrons im Jahr 2022 zeichnet sich in Frankreich eine politische Landschaft ab, welche aus drei Lagern besteht. Am rechten Rand nimmt der Rassemblement National rund um Marine Le Pen eine starke Position ein. Die Mitte wird von Macrons Partei Renaissance geprägt und die linke Hälfte der politischen Landschaft wird von der linkspopulistischen Partei La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon dominiert, welche aktuell das linke Parteienbündnis Nupes, bestehend aus der Kommunistischen Partei (PCF), der Sozialistischen Partei (PS), den Grünen (EELV) und der France Insoumise, anführt.
Auch wenn der französische Präsident Emmanuel Macron sich von seinem Umfragetief, das unter anderem der Rentenreform im Mai 2023 geschuldet war, erholt hat, bleibt der rechte Rassemblement National von Marine Le Pen weiterhin äußerst stark. So sagten Umfragen im April 2023 Marine Le Pen zum ersten Mal einen Wahlsieg sowohl in der ersten als auch zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen voraus.
Der französische Präsident Emmanuel Macron bleibt der stärkste Gegner des Rassemblement Nationals und der einzige französische Politiker, welcher (aktuell) in der Lage ist, eine große politische Bewegung zu mobilisieren und Mehrheiten zu schaffen. Laut der französischen Verfassung darf jedoch eine Person nur zwei aufeinanderfolgende Präsidentschaftsmandate ausführen. Aus diesem Grund wird Emmanuel Macron im Jahr 2027 nicht noch einmal bei der Präsidentschaftswahl antreten – diese Möglichkeit bestünde erst wieder in 2032. Daher ist die spannendste Frage in Frankreich, wer in der politischen Mitte auf Macron folgt – beziehungsweise: wen Macron selbst als seinen Nachfolger unterstützen und vielleicht sogar aufbauen wird.
Wer könnte auf Macron folgen?
Es gibt zahlreiche Anwärter auf die Nachfolge Macrons. Zum einen sind hier der französische Innenminister Gerald Darmanin und der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire zu nennen. Der frühere Premierminister Edouard Philippe gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten. Er verfügt über die höchsten Zustimmungswerte und hat bereits eine eigene politische Bewegung namens HORIZON gegründet, um eine mögliche Präsidentschaftskandidatur für 2027 vorzubereiten. Als weiterer möglicher Kandidat gilt der frühere Premierminister Jean-Castex, der für seine Bodenständigkeit und Ehrlichkeit geschätzt wird und von Emmanuel Macron immer wieder indirekt als sein möglicher Nachfolger ins Gespräch gebracht wurde. Des weiteren hat sich rund um Jean-Castex eine Gruppe an Unterstützern an aktuellen Ministern und Vertrauten von Emmanuel Macron gebildet, zu welcher auch der Bildungsminister, Gabriel Attal, sowie der Verkehrsminister Clément Beaune gehören. Um vorherzusagen, wer letztendlich als Nachfolger von Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2027 antreten wird, ist es noch zu früh.
Sicher ist: die links-populistische Partei von Jean-Luc Mélenchon hätte bei der kommenden Präsidentschaftswahl eher schlechte Chancen, die erste Runde zu überstehen. Würde dieser jedoch mit dem Parteienbündnis Nupes antreten, hätte er gute Chancen, in den zweiten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl einzuziehen.
Eine Allianz der Linken?
In Anbetracht dessen bewegt die französische Politik auch die Frage, ob das linke Parteienbündnis Nupes seine Einigkeit bewahren und wieder gemeinsam antreten kann. Aktuell lässt es sich daran zweifeln. Nupes ist nicht einmal gelungen sich auf eine gemeinsame Liste für die Europawahl im Jahr 2024 zu einigen. Viele im Bündnis machen sich jedoch gerade stark für eine gemeinsame Liste für die anstehenden Kommunalwahlen sowie für die Präsidentschaftswahl. Wen Nupes 2027 als Spitzenkandidat aufstellen würde, ist unklar. Am wahrscheinlichsten ist, dass diese mit Jean-Luc Mélenchon, dem Anführer und Gründer der France Insoumise, der größten linken Partei Frankreichs, antritt. Auch, wenn dieser durch interne Konflikte geschwächt ist.
Der rechte Rassemblement National erlaubt sich solche Fragen nicht. Marine Le Pen sitzt weiterhin fest im Sattel und dürfte daher auch bei der kommenden Präsidentschaftswahl als Spitzenkandidatin antreten. Eine Alternative wäre nur der Europaabgeordnete und Vorsitzende der Partei, Jordan Bardella. Er könnte die Spitzenkandidatur übernehmen, falls Marine Le Pen aufgrund von Krankheit oder eines politischen Skandals nicht in der Lage sein sollte, bei den kommenden Präsidentschaftswahlen anzutreten.
Quo vadis?
Zum aktuellen Zeitpunkt ist die französische Präsidentschaftswahl im Jahr 2027 noch weit entfernt und die Fragen zu Macrons Nachfolge und der Zusammenhalt der Nupes erscheinen für oberflächliche Beobachter nicht dringend. Bewegungen in der Parteienlandschaft – insbesondere die Vorbereitung auf und das Ergebnis von den Europawahlen 2024 werden einen großen Einfluss auf die Chancen, Dynamiken und Entwicklungen der französischen Politik haben. Die Olympischen Spiele im kommenden Sommer in Paris werden als Lackmustest dienen. Viele Politik-Experten sehen diese als den Startschuss für die Positionierung möglicher Spitzenkandidaten für die kommende Präsidentschaftswahl in 2027.